Paris : Im Salon der Madame Villeparisis wird sich nichts geschenkt. Boshafte Wortgefechte, süffisante Bemerkungen. Man „legt sich platt auf den Bauch vor lauter Ergebenheit“, gemessene Damen die sehr gerade auf ihren Stühlen sitzen, waren noch vor zwei Jahrzehnten für ihr skandalöses Benehmen bekannt. Sie sammelten Männer wie das Licht die Motten, nun sitzen sie mit zusammengekniffenem Mund, kerzengerade. Ein Sinnbild von Tugendhaftigkeit und Anstand.

Die tugendhaften Damen haben Lebendigkeit gegen Konventionen eingetauscht. Der äussere Schein zählt. Man zwängt sich dafür in enges Korsett und opfert Authenzität und Individualität.

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Endlich Kühle, etwa zwanzig Grad. Nach einem langen Arbeitstag flüchtete ich mich in den Salon der Madame de Villeparisis. Mir zeigte sich der Preis der zu zahlen wäre, sollte man sich entscheiden gegen die eigene Lebendigkeit zu agieren. Ich nahm den Proust und fuhr ans Meer. Imaginierte: morgens mit einem Becher dampfendem Kaffee vor dem Dachzelt sitzend, mit Blick auf die Weite des Meeres.

Eines Tages dachte ich, würde ich jeden freien Tag an diesem Strand in Heidkate im Dachzelt des Bullis verbringen. Proust lesend.

Der Bulli gehörte mir nicht und der Strandstellplatz wurde für Übernachtungen gesperrt. Auch mein gesellschaftliches Kaleidoskop wandelte sich und kehrte alles upside down..

Die kleinen Fluchten mussten andere Wege finden

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