Eine Menschenmenge schob sich durch die Holstenstraße. Es roch nach Pommes und schalem Bier.

Auf dem Platz hatte sich eine Traube gebildet.

Joana, weiße Strähnen im Haar. Tango. Erst erschienen mir ihre Bewegungen geschmeidig, leicht behend, verspielt. Wie eine Spinne die ihre Beute einwickelt, dachte ich. Ihren Tanzpartner nahm ich kaum wahr.

Joana lächelte ihr in sich gekehrtes Lächeln, in dem Schwermut lag oder Nichtdazugehörigkeit.

Einmal hielt sie kurz inne. Atemlos rang sie nach Luft, hielt sich das Knie, tanzte aber weiter. Der Tango, es war Piazzolla der lief, nahm etwas raubtierhaftes an.

Joanas Patagonia Rucksack lag im Staub – ein Stück entfernt. Tiefrot, verziert mit einer Weinrebe. Sie hatte ihn sich im Maipo Tal in Chile anfertigen lassen.

Die Träume gehören mir, hatte sie gesagt, alle Träume gehören mir. Ihre Stimme tief, warm und rauchig. Sie wirkte verloren und dann auch wieder nicht. Wenn sie über Chile, den Anbau des Weines, die Bedingungen die es brauchte um einen wirklich guten Wein zu kreieren, sprach, dann wirkte sie gegenwärtig, in ihrem Element.

Auf dem Gehsteig saß einer zusammengesunken auf einer alten Decke. Er streckte die Hand aus: „

Ich hatte mir angewöhnt 50 Cent Stücke in meiner Tasche zu sammeln. Meine Nachbarin händelte es so, gab jedem Bedürftigen an dem sie vorbeikam 50 Cent. So lange der Vorrat reichte.

Ich legte die 50 Cent in seine Plastikschale.

Schweigend ging ich zur Bushaltestelle. Ich meinte Joanas flackernden, spöttischen Blick in meinem Rücken zu spüren. Ein Ladenfenster warf mein Bild zurück. Ich richtete mich auf, zog die Schultern nach hinten.

Klare Nachtluft. Neonlicht auch jetzt. Kein Licht was man mögen kann. Es beleuchtet alles, auch das was du lieber nicht im Licht sehen willst.

Der Wind wirbelte Asche aus den Ritzen des Bordsteins. Sie tanzten im Luftzug der Leere.

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