Monat: Juli 2025

  • Wenn du deinem siebzehnjährigen Ich in Guben einen Rat geben könntest: “ Ach na ja, man wird ja im Alter konservativer. Vielleicht würde ich sagen: Bloß nicht Kandidat der SED werden, wenn du dir nicht sicher bist. Wenn du nicht mit einem Fuß reingehst, also Kandidatenschulung für ein Jahr, musst du auch  später keine Begründung…

  • Guben -3- 1988 – Herbst/ Winter Aus dem Lehrlingswohnheim bist du ausgezogen. Nicht weil du wolltest, sondern weil du musstest. Du bist kein Lehrling mehr. Du wirst einer Wohngemeinschaft zugeteilt. Das Werk hat Wohnungen für ehemalige Lehrlinge ( jetzt Facharbeitet) angemietet. Du fühlst Leere. Alle Freunde sind weg.  J. bei der NVA. Keine Jugendstunden, auch…

  • Guben 1986/88 Die Wohnung von D. durchzieht ein Hauch Anis. Es kommt an das Fleisch zusammen mit Sojasoße und anderen Geheimzutaten, die direkt aus China mitgebracht wurden. Ich will auch mal dahin, sagst du am Mittagstisch. Und A. fragt, „ach warum, das kann man doch alles im Fernsehen sehen.“ Du sagst, du willst das echte…

  • Du könntest deinem 17 Jährigen Ich die“ Suche nach der verlorenen Zeit“ in die Hände legen und einen Brief dazu schreiben ( sagt K.) Guben 1987 Liebe X. schreibe ich: die Brücke nach Gubin in Polen wird in zwei Jahren passierbar sein.  Dann bist du schon nicht mehr in dieser kleinen Stadt. Das Werk in…

  • Paris 1916 „…da der Mangel an Kohle und Licht die Empfänge der Verdurins in der sehr feuchten früheren Behausung der venezianischen Gesandten erschwerte“,  verlegt man den Schauplatz des verdurinschen Salons in ein großes Pariser Hotel. Der Salon floriert. Jeden Mittwoch oder fast jeden Tag,  werden auf vor weiß blitzenden Wänden die –  „interessantesten, verschiedenartigsten Männer…

  • Ich lese j‘ accuse von Zola. Ich lese es um einen Fuß in die Dreyfusaffäre und damit in die Recherche von Proust zu bekommen. J’accuse https://g.co/kgs/R1MP4xa Wahrheit und Fakten gegen Vorverurteilung und Verzerrungen. Ich frage mich wie Zola heute J‘ accuse geschrieben hätte. ————— In Gaza verschwinden Kinder unter Trümmern, werden erschossen während sie nach…

  • Paris 1916. Die Stadt ist überzogen von Damen in Turbanen. Es fehlt überall an Material, auch für Hüte. Man trägt Schmuck aus Granatsplittern und vermeidet Prunk in der Garderobe. Neue Einfachheit. Ein Hauch Hell in der Kleidung soll die Trauer über die Gefallenen überdecken. Das gesellschaftliche Kaleidoskop wirbelt alles durcheinander. Jemand erzählt von Madame Tallien,…

  • https://mirfet.com/ Über den Instagram Account von Faruk Šehić finde ich diesen Blog über das Schreiben. Es ist Sonntagmorgen der Schiffs kaffee duftet nach Kardamon, Mauersegler sirren am blassblauen Himmel unter weißen Schäfchen wolken.  Die Wärme des vermutlich schwülwarmen Sommertages dringt durch die Balkontür und erwärmt den Dielenboden. Ich lese Proust, lerne Courbet kennen und die…

  • Marcel liest an seinem letzten Abend in Tansonville zum Einschlafen das Tagebuch der Brüder Goncourt. “ In diesem Text singt vermeintlich einer der Goncourts das Hohelied des Salons der Madame Verdurin, der darin keineswegs mehr so lächerlich erscheint wie bei Marcel, sondern als Gesamtkunstwerk aus Mobiliar, Speisen und Konversation.“ ( Schmidt liest Proust) Marcel bemerkt…

  • Ich war mir sicher: Marcel hatte sich von Gilberte  Balzac geliehen. Ich fuhr zur Bibliothek und nahm mir „Das Mädchen mit den Goldaugen“ aus dem Regal.  Seltsam nur, dass das Mädchen mit den goldenen Augen bei Proust nicht mehr auftaucht. Ich ging an den Anfang des Satzes zurück und siehe: Marcel wollte sich das Buch…