Paris 1916. Die Stadt ist überzogen von Damen in Turbanen. Es fehlt überall an Material, auch für Hüte.

Man trägt Schmuck aus Granatsplittern und vermeidet Prunk in der Garderobe.

Neue Einfachheit. Ein Hauch Hell in der Kleidung soll die Trauer über die Gefallenen überdecken.

Das gesellschaftliche Kaleidoskop wirbelt alles durcheinander.

Jemand erzählt von Madame Tallien, einer jungen, gebildeten, schönen Frau mit Liebe zur Revolution.

Ehemalige Revolutionäre werden zu Revisionisten.

Ehemalige Dreyfusanhänger sind plötzlich salonfähig, Gegner der Verlängerung der Wehrpflicht – dafür nicht.

Was gestern noch als skandalös galt, ist heute eingemeindet. Turbulenzen werden integriert.

Auch Gilberte und Odette sind nun salonfähig.

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Juli 2025

In Windeseile dreht die Regierung am Rad der Uhr und stellt die Zeit zurück. In dunklen Nächten sehe ich Hirten die Herde auf veilchenblaue Weiden treiben.

Bei Ikea: Luise und ich kommen mit einem Ehepaar ins Gespräch. Sie erzählen vom Alligator Alcatraz.

Auf dem Rückweg sehe ich eine Stockrose am Wegrand. Mauersegler nisten unter unserem Dach. Über der Stadt lastet schwere, feuchte Luft.

Als wäre alles wie immer.

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